Herbstlehrgang 2018 mit Bernard und Gladys Mathieu

Das Wochenende vom 28. – 30.09.2018 schon lange vorher im Kalender rot eingetragen, konnten wir endlich wieder den erfahrensten Schüler von Mitsusuke Harada Bernard Mathieu und seine Frau und Trainingspartnerin Gladys für ein Wochenende bei uns in Niesky begrüßen. In vier je zweistündigen Trainingseinheiten teilten sie mit uns, wie gewohnt aufgeschlossen und sympathisch, ihr Wissen über den korrekten Gebrauch unseres Karate-Körpers für effektive Annahmen und Angriffe.

 

Die effektive Nutzung des gesamten Körpers rückte bei diesem Besuch in den Vordergrund, was zahlreiche verschiedene Übungen zur Folge hatte. Um Wirksamkeit von Bewegungen zu erzielen, seien es Tsuki oder Uke, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, allen voran eine Verbindung von den Füßen bis herauf zu den Händen, die nicht durch Versteifungen blockiert sein sollte.

Die ersten Übungen am Freitag sollten den Schwerpunkt auf eine ruhige Atmung durch den Bauch und das Starten von Bewegungen vom Hüftbereich aus legen. Danach arbeiteten wir an zwei Arten eine Annahme auszuführen. Dazu übten wir anschließend die Kata Taikyoku in etwas modifizierter Form. Der Angreifer hatte seinerseits die Gelegenheit am wirksamen Tsuki zu arbeiten. Die Kata Meikyō vollführten wir zu Beginn und Abschluss einiger Trainingseinheiten.

 

Die Mathieus zeigten uns weiterhin, wie sich die Wirksamkeit einer Technik erhöhen bzw. verringern kann durch ein Ab- bzw. Eindrehen des Körpers.

Mit zunehmendem Fortschritt rückten freiere Abstands- und Timingübungen in den Vordergrund, bei denen wir zum Schluss die Art und den Ort der Annahme wählen konnten. Da der angreifende Partner keineswegs nur stumpf seine Angriffe vollführt, macht es für den Uke-Te das Lesen seiner Bewegungen und Absichten notwendig. Und auch der angreifende Partner hatte mitnichten einen stumpf seine Annahme ausführenden Partner vor sich, denn dieser war in der Lage, ebenfalls die Initiative zu ergreifen, wenn er Schwächen in der Konzentration des Angreifers sah.

 

Die große Herausforderung und ein Ziel dieser Übungen bestanden also darin, das Timing des Partners zu „lesen“. Dafür ist eigene Konzentration und eine maximale Aufmerksamkeit und Ausrichtung auf den Partner unentbehrlich.

 

Mich erinnerten diese hochwertigen Übungen an Gichin Funakoshi (1868–1957) Aufsatz „Die Kunst des Kiai“. Dort meinte er, wenn er eine Definition für den Kiai wählen müsste, würde er vorschlagen: „Sie ist die Kunst, den Geist des Feindes zu schlucken.“ In unserem Fall gab es auch zwei Personen, beide konzentriert und fokussiert. Der eine Partner bereit anzugreifen, aber auch bereit, dass ihm zuvorgekommen werden kann. Der andere den Angriff erwartend, aber auch bereit, eine Lücke in der Konzentration zu sehen und seinerseits zu attackieren.

Auf eine aufgeschlossene und lockere Atmosphäre wurde auch außerhalb der Trainingseinheiten nicht verzichtet. Am Freitag- und Samstagabend konnten alle in der Pizzeria und im Indischen Restaurant die Seele baumeln lassen und bei Gelegenheit weitere Fragen stellen. Ein herbstliches Grillen am Samstagmittag mit zubereiteten Salaten, Kuchen und im Supermarkt eingekauften Würsten und Grillkäse lief dank Gemeinschaftsarbeit  aller Mitglieder erfolgreich, der für ein Barbecue in freier Natur empfehlenswerte Sonnenschein an diesem Tag kam wie bestellt.

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass dieser Herbstlehrgang ausgesprochen erfolgreich und lehrreich für uns alle war. Durch die Aufgliederung der Übungen konnte an individuellen Problemen gearbeitet werden. Ich hoffe sehr, dass wir Bernard und Gladys schon sehr bald wieder nach Niesky zu uns einladen können! (Rico)


Auf zum Fünfzehnten: unser Jubiläums-Gasshuku 2018

Es war einmal im August des Jahres 2004 unserer Zeit, von langer Hand geplant starteten damals Mitglieder unseres Vereins zu unserem allerersten Gasshuku, profan ausgedrückt zu einem Trainingslager also, das aber tatsächlich weit mehr war und ist. Dieses erste „gemeinsame Logieren“ – so sollte des Wort Gasshuku verstanden werden – fand am Werbellinsee in Brandenburg statt. An diesem beinahe arkadischen Ort wurde 1952 ein Komplex eröffnet, der als „Pionierrepublik“ bezeichnet worden und zur Schulung und Erholung der Mitglieder der staatlichen Jugendorganisation der damaligen DDR gedacht war. Für uns wurde es ein Ort der nachhaltigen Karate-Beschäftigung. Damals wurden zur Erklärung u. a. Worte des inspirierenden Säbelmeisters Yamaoka Tesshū (1836–1888) verlesen, denen zufolge mit großer Entschlossenheit und Willenskraft trainiert werden müsse, was wiederum nichts mit dem bloßen Betreten und Verlassen eines Klassenzimmers zu tun habe. Daran sollte sich auch in den kommenden Jahren nichts ändern, wenn wir im Sommer unsere Siebensachen packten. Vom 12. bis 15. Juli 2018 war es dann mittlerweile „traditionell“ wieder soweit, und wir starteten zu sechst unser nun fünfzehntes Gasshuku, passenderweise am gleichen Werbellinsee.

Am Donnerstagmorgen schien zunächst alles glatt zu laufen, und wir konnten gemütlich frühstücken. Doch dann folgten drei Unannehmlichkeiten, die unseren Trainings- und Tagesablauf nicht unbedingt optimal beeinflussten: Als erstes vermissten wir die Matten. Routinierte Wiederholungstäter erinnern sich – da waren dunkelgrüne Jūdō- und graue Turnmatten. Diese Mattenlage änderte sich auch nicht nach dem ersten Keiko auf Nachfrage bei den sich ahnungslosstellenden Verantwortlichen. Als Karateka sind wir ja anpassungsfähig, so dass wir das erste Training mit Taikyoku und Partnerübungen, die eine Ausgangsbasis für die folgenden Tage bildeten, durchzogen. „Ausdehnen und Zusammenziehen des Körpers“ (Karada no Shinshuku) wäre wohl Meister Funakoshi Gichins Bezeichnung für diese Ausgangsbasis und unseren Übungsschwerpunkt. Jedenfalls war angedacht, dies mittels Uke-Waza, Tsuki sowie Kamae (Haltung) des Bokutō (Holzsäbel) schrittweise körperlich umzusetzen. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich schreibe, dass es während des letzten sonntäglichen Trainings zudem auch noch mit dem (Stock) verknüpft werden durfte.

„Traditionell“ findet allerspätestens nach der ersten Einheit das Beziehen unserer Unterkunft statt, doch dagegen sprachen sich die Verantwortlichen mit den Worten aus, dass das „schon immer“ erst am Nachmittag möglich gewesen sei. Doch da nun unser Mittagessen anstand, packten wir diese Gelegenheit beim Schopfe. Und zu unserem Jubiläum meine es das Küchenteam wirklich gut mit uns, was sich zum Beispiel an einem abendlichen Extrasalatteller und nicht einer, nein, zwei Extrapizzas, die aus philosophischer Sicht besser als „Gemüsekuchen“ bezeichnet werden sollten, bemerkbar machte. Und ja, über das gereichte und verspeiste Essen, dessen erhofften, vorhandenen oder vermissten Wohlgeschmack sowie ernährungsphysiologischen Sinn und Unsinn konnten auch diesmal „traditionell“ viele Worte vernommen werden.

Jedenfalls zeigte die Uhr an, dass wir um 15:00 Uhr wieder in der Halle waren, so dass wir uns am Donnerstag den den kontrollierenden Greiftechniken (Tori-Te) zugrundeliegenden Prinzipien widmen konnten. Im freitäglichen Nachmittagstraining standen dann Techniken des etwa neunzig Zentimeter langen Stocks und am Samstagnachmittag der im Shōtōkan-Ryū Iai genannte Selbstschutz aus ungünstiger bzw. unvorbereiteter Lage auf dem Programm. Fraglos hätte die Umsetzung dieses Stoffs mit Matten um vieles leichter, den Umständen entsprechend auch angenehmer und umfangreicher ausfallen können. So jedoch war ein teilweises Umplanen leider unumgänglich, wobei ich glaube, dass wir trotzdem das Beste draus gemacht haben …

Zwischen den Aufenthalten in der Halle gingen wir teilweise im Freien erneut auf die enorm wichtige Frage des Zenshin ein. Dieses Wort meint ins Deutsche übersetzt „vorheriges Herz“, also die Situation vor dem Kampf. Es steht für Vorbereitung und Voraussicht oder auch Vorsicht. Letztlich handelt es sich dabei um die Ausdehnung der Karate-Übung oder der durch die Übung körperlich und geistig erworbenen, schrittweise verinnerlichten Aspekte in den Alltag.

Den drei Abendessen schlossen sich je zwei Vorträge und eine Gesprächsrunde an, wobei wir uns am ersten Abend mit den Vitalpunkten, ihrer Lage und ihren Auswirkungen befassten. Die „Militärischen Methoden von Meister Sun“ (Sun-Tzŭ Ping-Fa), der berühmteste chinesische Militärklassiker, wurde am darauffolgenden Abend ergründet. Denn seine Inhalte fanden Einzug in unsere Karate-Strömung und sollten daher möglichst gut verstanden werden. Am letzten Abend diskutierten wir über die Aufnahme des Sport-Karate in die Olympischen Spiele 2020 in Japan und hörten verschiedene Meinungen hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf unser Tun.

Pünktlich um 6:00 Uhr standen wir dann am Freitagmorgen im bewaldeten Teil des Strands, um unseren „Karate-Körper“ und unsere Konzentrationsfähigkeit mittels Bokutō und „Okuyama-Übung“ zu verbessern. Schrieb ich eingangs „arkadisch“, dann trifft das besonders auf diesen Übungsort zu, der neben frischer Morgenluft und Ruhe auch noch einen ansehnlichen Rahmen bietet. Bei den folgenden beiden Vormittagseinheiten wurden je nach Kenntnisstand Tekki Sandan oder Heian Sandan mit dem besonderen Augenmerk auf das „Ausdehnen und Zusammenziehen des Körpers“ geübt, das dann wie gehabt mithilfe zahlreicher Partnerübungen und Verbesserungsvorschläge ausgebaut wurde. Am Sonntag suchte sich schließlich in der Morgeneinheit, für die wie an den vorherigen Tagen drei Stunden veranschlagt waren, jeder Teilnehmer eine Lieblings-Kata aus.

Selbige bildete im Abschluss-Keiko am Sonntagnachmittag den Einstieg und wurde durch Erklärungen zur Anwendung mit dem Partner unterfüttert. Danach konnten wir auf der Sonne beschienenen Wiese Shūji no Kon ausführen und dabei noch einmal besonders an das „Ausdehnen und Zusammenziehen“ denken, was uns auch ins nachfolgende Kumibō (Partnerübung mit Kampfstock) begleiten sollte. Erfolgreich einflechten zwischen all das intensive Trainieren und Lernen konnten wir wie immer Maßnahmen zur Regeneration und zum Ausgleich. So spielten wir teilweise mit unfairen Mitteln – wie ich am eigenen Leibe erfahren musste – täglich Beachvolleyball, stürzten uns in die Fluten des Werbellinsees und lustwandelten an seinem ausgedehnten Ufer.

Doch wenn es am schönsten ist, sollte man der Redewendung zufolge aufhören, und so kehrten wir melancholisch benebelt nach vier denkwürdigen gemeinsamen Tagen Brandenburg den Rücken. Und da bekanntlich „nach dem Gasshuku vor dem Gasshuku“ ist, hoffe ich, dass ein jeder ein paar der erlernten und vertieften Punkte in Erinnerung behalten und sie als Ausgangsbasis für weitere Trainings und unser nächstes Gasshuku nutzen wird. Für mich war es einmal mehr ein Privileg mit meinen Trainingspartnern so viel Zeit und Karate teilen zu dürfen. Mein Dank gilt insbesondere unseren beiden Fahrern Phillip und André, von denen André obendrein die reibungslose Organisation bewerkstelligte. (Henning)


Shōtōkan-Stock-Lehrgang mit Henning Wittwer am 10. & 11. März 2018 in Niesky

Am zweiten Märzwochenende 2018 versammelten sich wieder Karateenthuisiasten zum Tradition gewordenen -Lehrgang in Niesky, um in alter Shōtōkanmanier den Umgang des sechs Fuß langen Stockes zu erlernen.


In  drei Trainingseinheiten wurde die Bewegungen der Kata Shūji no Kon, von den Geübteren der Matsukaze-no-Kons erlernt und mit vielen Kumibō Anwendungen verständlich gemacht.  Besonders spannend zu erfahren war, wie stark das „Leere“-Hand-Training mit dem mit Stock verbunden ist. Gewohnte Muskelbewegungen wie die eines Tsuki oder eines Ude-Uke werden direkt übertragen und genießen eine Verstärkung durch die in den Händen gehaltene Waffe. So ist es gar nicht so schwer den Umgang mit dem Stock zu üben, auch wenn die Bewegungen anfangs ein bisschen ungelenk aussehen.


Die teils von weit angereisten Teilnehmer werden hoffentlich das Erlernte in ihr Karatetraining aufnehmen und sich auf den -Lehrgang im nächsten Jahr freuen. (Nick)